Kunst des 16. Jahrhunderts
als Quelle für Kostümstudien



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Das 16. Jh. ist das eigentliche Jahrhundert der Renaissance, die nun auch Nordeuropa fest im Griff hat. In Italien ist es die Hoch- bzw. Spätrenaissance, während Deutschland, Frankreich, England und die Niederlande die frühe, hohe und späte Phase durchlaufen. Die Merkmale der italienischen Frührenaissance, wie für das 15. Jh. beschrieben, gelten nun in ganz Europa.

In Deutschland, Flandern und den Niederlanden tauchen fast plötzlich viele Maler auf, die für die Kostümgeschichte interessant sind: Dürer, Cranach, Holbein, Grien, Brueghel, Aertsen und viele andere. Italien schmückt sich mit Caravaggio, Tiziano und Bronzino. Spanien ist durch die Conquistà reich geworden und bringt Coello und de la Cruz hervor. Gegen Ende des Jahrhunderts wird die spanische Hoftracht auch die große Mode in ganz Europa.

Der Hang zum Realismus verstärkt sich und geht z.T. so weit,daß man in manchen Portraits fast die Fäden im Stoff zählen kann. In Flandern und den Niederlanden entwickelt sich eine einzigartige Tradition, die Szenen aus dem wahren Leben zeigt. Städtische Patrizier – reiche Händler und Bankiers – lassen ihre Portraits malen.

Andererseits entwickelt sich – wieder von Italien aus – die Schule des Manierismus, die Technik und Komposition für wichtiger erachtet als blanken Realismus. Sie führt also eine neue Art des Formalismus ein: Gliedmaßen werden überlang und unnatürlich verdeht dargestellt; Faltenwürfe sollen nicht natürlich sein, sondern sich in die Komposition einfügen. Und doch hat der Manierismus auch sein Gutes, denn da er so viel Wert auf Maltechnik legt, fördert er auch die Liebe zum Detail und 3D-Effekte.

Das 16. Jh. ist auch eine Zeit der Entdeckungen und Eroberungen: Amerika, der Orient, Indien, Asien und Afrika traten insBewußtsein der (gebildeten) Europäer. Illustrierte Trachtenbücher zeigen das wachsende Interesse an weltlichen Dingen und anderen Ländern. Sie behaupten, die Trachten aller Völker der damals bekannten Welt zu zeigen und wiegen den Kostümforscher damit in Sicherheit. Selten jedoch hat der Verfasser eines Trachtenbuches all diese Länder besucht; manche haben ihr Heimatland nie verlassen und nur von anderen abgemalt. Wie bei der Stillen Post schlichen sich dabei Fehler ein. Vor allem aber verzerren Sensationslust uns Vorurteile gegenüber den "Wilden" das Bild. Bildern von außerhalb Europas sollte man deshalb mißtrauen, außer, der Künstler war nachweislich in dem jeweiligen Land.

Vor allem gegen Ende des Jahrhunderts entwickelt sich das Genrebild, d.h. Szenen aus dem Leben auch normaler Leute: Marktszenen, Dorfleben,Bauernhochzeiten, Zofen, Bauern, Handwerker. Zu dieser Zeit sind Genrebilder noch relativ vertrauenswürdig, das Landvolk noch nicht völlig durchromantisiert – das wird sich später ändern.