Kunst des 18. Jh. als Quelle für Kostümstudien

 
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Das höfische Leben unter dem alternden Louis XIV war zuhehmend von eingefahrenem, streng reglementierem Zeremoniell geprägt. Dort und anderen Höfen Europas, die den französischen nachahmten, dürfte der verordnete Prunk den Höflingen stark auf den Geldbeutel gegangen sein – und wahrscheinlich auf auf den Geist, zumindest den jüngeren.

Mme Pompadour in Shepherdess CostumeAls idealisiertes Gegenbild wurde die Pastorale in Kunst, Literatur und Musik immer beliebter. Man stellte sich das ländliche Leben, vor allem das der Schäfer:innen, als wohltuend frei von Prunk, Intrige und Reglement vor. Man sehte sich nach Arkadien und Kythera. Daher kann man ländlichen Szenen in der Kunst vor allem des frühen 18. Jh. nicht mehr trauen: Zu oft handelt es sich bei der anmutigen Schäferin nur um eine Hofdame im Landhausstil. Tatsächlich ließen sich Adlige gern im Schäferkostüm portraitieren, so z.B. Madame Pompadour (links).

Watteau mag einem wichtigen Merkmal der damaligen Frauenkleidung den Namen geliehen haben, aber die meisten seiner Bilder sind ungeeignet, weil sie entweder Schäferszenen oder Wanderschauspieler darstellen. Sobald eine Landschaft den Hintergrund bildet, die kein Park ist, sollte man vorsichtig sein, nicht nur bei Watteau. (Ausnahme: Jagdszenen bzw. Portraits in Jagdkleidung.)

Aber auch, wenn das Bild in einem Raum gemalt wurde, kann die dargestellte Person immer noch verkleidet sein, so wie oben die Pompadour, eine Hofdame im Kostüm der Kythera-Pilgerin (zu erkennen an der Muschel am Kleid), Höflinge in Redouten- und Maskenkostümen etc. Eine Maske in der Hand deutet auf auf ein Maskenkostüm hin, eine Dame mit Pfeil und Bogen hat sich als Jagdgöttin Diana verkleidet usw. Diese Kostüme mögen alle wirklich existiert haben und dokumentieren, was man damals als Verkleidung trug, aber Mode sind sie ebensowenig wie moderne Faschingskostüme.

Gemälde des Rokoko sind meist in gedämpften, kühlen Farben gehalten. Der Hintergrund ist hell, während der Mittelgrund eher dunkel ist und die Figuren im Vordergrund im Licht stehen. Im Bild von der Schaukel rechts sieht man das ganz gut. Um die Tiefenwirkung zu unterstützen, werden die Farben oft für den Hintergrund kühl und für den Vordergrund warm gewählt, denn kühle Farben wirken weiter enfernt als warme. Auch das sieht man bei der Schaukel recht gut: Die Dame im warmen Rosa wirkt näher als das Gebüsch in blaugrün, ja selbst als der Kavalier in bläulichem Grau.

Daraus folgt, daß die Kleiderfarben, die man in Gemälden sieht, nicht unbedingt repräsentativ sind. Das heißt nicht, daß man diese Farben nicht getragen hätte oder daß sie nicht in Mode waren. Aber es gibt z.B. in Museen recht viele leuchtend gelbe Kleider, in Gemälden aber keine oder fast keine. Ähnlich ist es mit anderen leuchtenden Farben. Auch Muster sieht man in Gemälden seltener als im Museum – vielleicht, weil sie schwieriger zu malen waren, oder weil die kostbaren gemusterten Seiden eher aufgehoben wurden als unifarbene Tafte. Jedenfalls gibt es leichte Diskrepanzen zwischen der Malerei und erhaltenen Stücken. Die feinen Details waren den Malern des Rokoko oft nicht so wichtig. Wenn allerdings ein Stoff in einem Portrait wie Samt, Taft oder Satin aussieht, dann war er wahrscheinlich auch genau das. Dafür sorgten spezialisierte Kleidermaler – oft genug ist nämlich der signierte Maler nur für Komposition, Gesicht und Hände verantwortlich.

Die brauchbarsten Maler für diese Epoche sind Boucher, Liotard, Silvestre, Reynolds, Gainsborough und Pesne. Nattier und Chardin stellen die arbeitende Bevölkerung in einer Weise dar, die nicht romantisiert zu sein scheint. Chodowiecki und Tischbein zeigen die deutsche Bürgerschicht in der zweiten Jahrhunderthälfte. Hogarth ist berühmt für seine satirischen Bilder, die alle Schichten bis hinunter zur Nutte nicht gerade von ihrer jeweils besten Seite zeigen.