Herstellung einer Riegelhaube
des 18. Jahrhunderts

Teil 2

 

 

 

Material

Als dekorativer Oberstoff: Seidenbrokat, einfarbiger Seidentaft oder einfarbiger Seidensatin. Mein Original von ca. 1800 hat schwarzen Atlas als Grundstoff, in den Votivbildern schimmert zwischen dem Gold Rot hervor, und in der Literatur ist von Rot, Rotbraun und Blau die Rede ¹. Das Original von 1750 ist aus Brokat mit beigegrauem Grundton und kleinteiligem Streublumenmuster gefertigt. Im Fall von Brokat kann man im nachfolgenden Kapitel die Abschnitte über Stickerei überspringen, aber auch Brokat wurde z.T. noch bestickt, wenn auch eher zurückhaltend. Benötigt werden ca. 105x20 cm.

Unterfütterung für den Oberstoff, der meist nicht sehr steif ist, aber recht steife und schwere Stickerei tragen muß: Baumwolle oder Leinen, möglichst glatt, fest, nicht zu dick und vorzugsweise einfarbig weiß bzw. natur. Der Oberstoff, den man aus Kostengründen lieber knapp kauft (v.a. bei Brokat), muß auf einen Trägerstoff aufgeheftet werden, um ihn in einen Stickrahmen spannen zu können. Die Unterfütterung sollte gleichzeitig auch als Trägerstoff dienen können – alles andere wäre zu viel Arbeit und könnte unerwünschte Effekte ergeben. Ein billiger Baumwollstoff wie Bomull oder Ditte vom Schweden eignet sich als Unterfütterung und ist gleichzeitig billig genug, daß man ihn so reichlich kaufen kann, daß er als Trägerstoff nicht ausgeht.

Als Innenfutter kleingemusterter Leinen- oder Baumwolldruckstoff. Kleinteilige Zitze und Blaudrucke im Stil des 18. Jh. dürften geeignet sein, aber da die Auswahl eines zeitlich geeigneten Musters eines geübten Auges bedarf, ist im Zweifelsfall ungefärbtes, dichtes Leinen (z.B. sehr feines Bauernleinen) nicht verkehrt. Beim Original von ca. 1800 sind Haubenboden und -rand mit gemustertem Leinen gefüttert, die Schleife aber mit halbgebleichtem Leinen. Bei Originalen des 19. Jh. ist es ebenso. Benötigt werden ca. 150x20 cm.

Für die Stickerei goldene² Kantillen (=Bouillon), Pailletten, Folien und was sonst noch auf der Seite über Metallstickerei aufgeführt ist. Versuche, möglichst echt vergoldete Materialien zu finden4. Die Kosten zwar ein wenig mehr, aber das fällt bei der benötigten Menge kaum ins Gewicht, ist authentisch, sieht einfach besser aus, verfärbt sich nicht so schnell, Du kannst sicher sein, etwas hochwertiges zu bekommen – vor allem aber wäre es pervers, sich so viel Arbeit mit der Stickerei zu machen (bei einem anständigen Stundenlohn immerhin im Wert von mindestens 800 Euro), aber beim Material 20 Euro einzusparen. Bei einer Stickerei, die mehrere Zutaten kombiniert und viel Stoff freiläßt, wie es im 18. Jh. offenbar üblich war, sollten 5 g pro Sorte und Größe leicht reichen.

Zum Thema Sticknadeln, Stickgarn und Rahmen siehe die Seite über Metallstickerei. Zum Zusammennähen der Teile braucht man kräftige Nadeln und kräftiges Leinengarn.

Beim Original ca. 1800 zieht sich am vorderen Haubenrand eine 3-4 cm breite Goldborte entlang. Eine Borte gleichen Musters, aber nur ca. 1,5 cm breit, zieht sich dreifach quer über die Schleife und einmal senkrecht darüber. Diese Borte ist möglicherweise nicht verpflichtend, aber sie erspart einige Stickereiarbeit. Irgendwelche Bänder – gewebt oder gestickt – müssen offenbar hin, denn die dreifachen Schleifen-Bänder und das Band quer über die Schleife (von dem vermutet wird, daß es der namengebende Riegel ist) finden sich bei Biedermeier-Riegelhauben in Form bestickter Bänder wieder. Da ist eine gewebte Borte natürlich dankbarer. Borten aus Gold-Klöppelspitze oder Hohlspitze wären auch denkbar (die Haube von ca. 1750 hat Hohlspitze an der Vorderkante des Haubenrands), sind aber noch schwerer zu finden und noch viel teurer als gute gewebte Borten. Auch hier sollte man Borten aus echtvergoldetem Lahn (natürlich nur für den Schuß) wählen.Die alten Borten haben meist Kettfäden aus halbgebleichtem Leinen, während moderne Nachbauten meist eine gelbe, seltener eine braune Kette haben. Ich ziehe eine braune Kette vor, weil mir gelbe Kettfäden zu billig aussehen.

Für den Spitzenrand braucht man feine weiße Leinen-Tüllspitze, z.B. Mechelner oder Valenciennes, von drei bis acht Zentimetern Breite und 50 cm Länge. Bei unter 7-8 cm Breite ist ein wenig (ca. 30 x 10 cm) weißer Batist nötig. Außerdem ca. 3 m weiß umsponnener Haubendraht (erhältlich im Hutmacherhandel) von ca. 0,8-1 mm Dicke.

Für eine Schleife im Inneren 60-80 cm Seidenband in einer zum Futter passenden Farbe.

Alle Haubenteile müssen auf Pappe gezogen werden, damit die Stickerei Halt und die Haube Form hat. Dafür eignet sich möglichst langfaserige Pappe von 0,5-0,8 mm Dicke, die sich im angefeuchteten Zustand knicken läßt, ohne durchzubrechen. Leichtes Aufbrechen der Oberfläche ist in Ordnung, solange man die Knicke wieder glätten und nochmals knicken kann, ohne daß die Pappe völlig durchbricht. Pappe braucht man auch als Unterlage für die Kantillen. Leinengarn braucht man zum Zusammennähen der Teile, Ponal (oder ähnlichen Weißleim, kleine Flasche) zum einleimen. Zum Abpausen des Stickmusters ist ein Bügelstift hilfreich.

Zum Unterfüttern zwischen Pappe und Oberstoff etwas unversponnene Wolle, im Notfall auch Kosmetikwatte, oder ein Wollvlies, wie man es im Quiltbedarf findet.

Schnitt

Der hier vorgestellte Schnitt wurde vom Original ca. 1800 abgenommen und der Haubenrand etwas vergrößert, um der Tatsache Rechnung zu tragen, daß frühere (d.h. ca. 1750-1780) Hauben tendenziell größer waren. Er ist ganz und gar nicht das geheiligte Nonplusultra, sondern Ergebnis von Spekulation. Wer aufgrund von Quellenstudium und/oder Experimenten ein besseres Ergebnis erzielt hat, möge mich bitte kontaktieren: Ich bin daran interessiert, dem Original (und dem früheren 18. Jh.) noch näher zu kommen.

 

Die Schleife.
Die Senkrechte in der Mitte ("Mittellinie") ist die Symmetrieachse. Für diese alle hier gezeigten Schnitteile gilt, daß sie entlang einer Mittelline symmetrisch sind.

Die schrägen gestrichelten Lininen zeigen an, wo die Schleife nach innen umgebogen wird. Die drei schraffierten Bänder zeigen, wo die gewebte Borte aufgestzt wird. Außerhalb der Knicklinien und in den schraffierten Bereichen wäre Stickerei also überflüssig.

Der Haubenboden.
Meine Schnittzeichnungen sind nicht unbedingt symmetrisch, weil ich sie – ebenso wie den originalgroßen Schnitt für meine Rekonstruktion – freihändig gezeichnet habe. Auch Du wirst freihändig zeichnen müssen, weil es Quatsch wäre, aus einem freihändig hinspekulierten Schnitt einen exakten ableiten zu wollen.

Mein Tip: Mal den Schnitt auf Papier auf, entscheide, welche Seite Dir besser gefällt (bei der Zeichnung links z.B. gefällt mir die linke Hälfte besser, weil stärker gerundet), und spiegele die auf die andere Seite des Papierschnitts. Es reicht nicht, die schönere Seite im Stoffbruch zuzuschneiden, weil Du anhand des Schitteils auch das Stickmuster entwerfen mußt. Zu diesem Behufe solltest Du das ganze, symmetrisch gemachte, Schnitteil auf Papier vor Dir haben.

Der schraffierte Teil unten wird später durch die Schleife verdeckt, d.h. er sollte nicht bestickt werden.

Der Haubenrand.
Der schraffierte Teil wird durch die gewebte Borte abgedeckt und sollte daher nicht bestickt werden.
Es ist wohl offensichtlich, daß diese Zeichnung nicht symmetrisch ist. Auch hier gilt: Zeichne freihändig und spiegle dann die besser geratene Seite (auch hier ist das IMO die linke).

Auch die Stickmuster sind nur Vorschläge, die an Orignialen von 1800-1850 orientiert sind. Da fast alle mir bekannten Muster floral sind und die Form der Haubenteile bestimmte Musterformen quasi aufzwingt (halbkreisförmig auffächernd für den Haubenboden, länglich-schlängelnd für alles andere), dürften auch die Muster füherer Hauben nicht viel anders gewesen sein. Musterelemente und -techniken zu variieren, bleibt jedem selbst überlassen.

Weiter zu Teil 3

 

1) Szeibert-Sülzenfuhs, Rita. Die Münchnerinnern und ihre Tracht : Geschichte einer traditionellen Stadttracht als Spiegel der weiblichen Bürgerschicht. Dachau: Verlagsanstalt Bayernland, 1997
2) Zwar ist ein Gutteil der Hauben des 19. Jh. silberbestickt, aber das früheste mir bekannte Beispiel dafür stammt von ca. 1805-10. (Sz S. 42). Davor ist bisher nur Gold nachweisbar.
3) Nicht Folien im Sinn von Alufolie, sondern aus sehr dünnem Blech gestanzte Formen. An Originalen bisher ausschließlich bekannt sind hutförmige, die nach dem Annähen nur noch eine kleine Kuppel sehen lassen, sowie aus glattem Blech geschnittene Formen von Blättern und Blüten.
4) Diese Materialien findet man, indem man "klosterarbeiten" googelt, bei www.zwsw.de, oder man wendet sich an Maurer in Wien, der recht günstig ist, aber, wie ich hörte, nicht sonderlich kundenorientiert.