Schneiderpuppen

 

Beim historischen Schneidern ist es oft nötig, am Körper abzustecken - entweder, weil das Kleidungsstück eng anliegen muß, oder weil man das Gewand auf den Körper drapieren muß. Wer hat schon immer jemanden zur Hand, der nicht nur etwas vom Schneidern versteht, sondern auch vom historischen Schneidern? Eine Schneiderpuppe muß her.

Dummerweise haben moderne Schneiderpuppen die falsche Form: Ohne Korsett. Das Hauptproblem ist, daß die Brust auf BH-Niveau hängt, während so ziemlich jede Modeepoche der letzten 500 Jahre verlangt, daß selbige angehoben und evtl. flachgedrückt wird. Und natürlich ist das Brust-Taille-Hüfte-Verhältnis festgelegt, wo doch ein Korsett eben dieses verändern soll. Obendrein sind brauchbare moderne Schneiderpuppen sauteuer.. Es gibt drei Möglichkeiten, damit fertigzuwerden:

1. Eine Drahtpuppe, wie sie in den 50er/60er Jahren üblich waren. Mit etwas Glück um 10-20 Euro auf dem Flohmarkt zu finden. Man formt sie auf den Körper, indem man sie anzieht - zu diesem Behufe kann man sie in der vorderen und hinteren Mitte öffnen - und sie dann am Körper in Form drückt. Dazu braucht man einen Helfer, v.a. für den Rücken sowie zum an- und ausziehen (wenn beim ausziehen die hinteren Verschlüsse nicht aufgemacht werden, kann sich der Draht bei dieser Aktion schon wieder verformen). Das ist etwas zu aufwendig, um sie jedesmal umzuformen, wenn man mehr als eine Epoche macht, und man kann auch nichts daran feststecken. Letzteres Problem habe ich mit einem enganliegenden Überzug aus Fleece behoben. (Ein altes T-Shirt oder ein Jerseyschlauch geht zwar auch, ist aber nicht so stabil.) Da solche Schneiderpuppen relativ billig sind, ist zu überlegen, sich für jede Epoche eine zuzulegen - aber gar so oft findet man sie auch wieder nicht.

2. Eine elektrische Drahtpuppe. Ähnlich wie oben, gibt's aber heute noch zu kaufen. Kosten: ab ca. 150 Euro. Man schließt sie an den Strom an, wodurch der Draht warm und weich wird, so daß er sich leichter formen läßt. Bleibt das Problem des feststeckens, und ein Helfer zum an- und ausziehen und andrücken ist immer noch - nun, vielleicht nicht nötig, aber sehr hilfreich.

3. Eine selbergebastelte Puppe. Womit wir beim eigentlichen Thema dieser Seite wären. Es gibt die eine oder andere angelsächsische Website, die eine Anleitung für Schneiderpuppen aus Klebeband gibt - darum geht es hier aber nicht. (Gib "duct tape dummy" in Google ein, wenn Du mehr darüber wissen willst.) Es geht vielmehr um eine Idee, die anscheinend mehrere Leute unabhängig voneinander hatten: Abformen mit Gips, so wie Du es vielleicht mal mit Deinem Gesicht gemacht hast. Jetzt habe ich es endlich mal ausprobiert.

 

Du brauchst für Schritt eins:

Vorbereitung:

Je schmaler die Gipsbinden, desto besser gehen sie um Kurven wie z.B. die Armlöcher rum, aber dafür braucht man davon mehr. Wenn Du die Auswahl hast, nimm 2/3 breite (z.B. 12 cm) und 1/3 schmale (z.B. 6 cm). Versuche bitte nicht, diese Aktion mit weniger als 20 Gipspäckchen zu machen: Mein Erstversuch mit 10 Rollen war nicht stabil genug. Wenn Du Kleidergröße 38 oder darunter hast und nicht bis unter Hüfthöhe wickelst, dürften 20 Päckchen von 6 cm Breite reichen, besser sind zehn 6er und zehn 12er. Lieber zuviel gekauft als am Sonntag eingegipst dastehen und es reicht nicht.

Profaner Tip zum Anfang: Trinke für einige Stunden zuvor nicht allzu viel (vor allem weder Tee noch Kaffee noch Bier) und geh unmittelbar vor der Prozedur nochmal auf den Topf. Es kann eine Weile dauern, bis der Gips hart ist, und das feuchtkühle Zeug auf der Haut könnte eine... inspirierende Wirkung haben. Wähle einen warmen Ort, wo du es eine Weile halbnackt aushältst. Aber nicht zu warm, sonst trocknet der Gips noch während der Eingipsprozedur. Von größeren Ortswechseln (v.a. Treppenstreigen) oder hinsetzen ist strikt abzuraten.

Da ich inzwischen unter anderem eine Rückmeldung von jemandem erhalten habe, die bei der Prozedur in Ohnmacht gefallen ist, möchte ich klarstellen: Ich meine nicht allzu viel trinken, nicht gar nichts trinken! Ich meine einen warmen Ort, keinen heißen. Ich stand beide Male im Keller, weil Gipsflecken sich auf den Fliesen dort besonders gut wegputzen lassen, und das war ein wenig zu kühl (ca. 15°), vor allem an den Füßen. 20-22°C sollten aber warm genug sein. Und vor allem: Laß Dich nicht von Kinn** bis Knie einwickeln, sondern so, so daß Du die Unterarme bewegen und ein wenig auf- und abgehen kannst, um den Kreislauf in Schwung zu halten. Eine normale Schneiderpuppe geht ja auch nur bis etwa zum Schritt, und alles unterhalb verschwindet sowieso unter einem weiten Rock.

Es ist auch ratsam, das ganze nur zu machen, wenn Du Dich gesund fühlst: Keine Erkältung, kein Asthma, kein Kater, Kopfweh, Kreislaufprobleme... Es hustet sich verdammt schlecht in so einem Panzer.

Es kann passieren, daß das Kleidungsstück, das Du unter dem Korsett anziehst, ein wenig unter dem Müllsack herausschaut, den Du als Schutzschicht darüberziehst. Oder beim Aufschneiden des Gipses schneidet die Schere etwas tiefer als gedacht. Ein altes T-Shirt wäre also eine gute Wahl, es sei denn, Du zielst auf das mittlere 19. Jh. bis frühe 20. Jh. ab: Zu jener Zeit reicht das Korsett nur halb oder gar nicht über die Brust und das Unterkleid trägt viel dazu bei, daß nichts herausquillt. Für einen solchen Fall ist etwas aus einem nicht dehnbaren Stoff sinnvoll, z.B. eine alte Baumwollbluse.

Zieh das Korsett drüber, lieber etwas zu eng als zu lose geschnürt, aber nur so eng, daß Du es ohne Probleme mehrere Stunden lang aushältst. Rechne damit, daß die Korsettschnur danach hin sein könnte, nimm also eine billige. Schneide möglichst enge Löcher für Kopf und Arme in einen großen Müllsack und ziehe ihn über. Laß Dir die Halsöffnung danach wieder dicht am Hals zukleben, falls nötig auch die Armlöcher. Von nun an mußt Du nur noch stillstehen, Anweisungen geben und nett zu Deinen Helfern sein, sonst schneiden sie Dich womöglich nicht mehr raus. ;)

Deine Helfer tunken nun eine Binde nach der anderen in die wassergefüllte Schüssel und drücken sie dabei ein bißchen, bis sie durchtränkt ist. Das geht sehr schnell: Ein, zwei Sekunden tunken reicht schon. Vorher sollten sie den Anfang ein bißchen abwickeln und in der Hand behalten, denn sobald das Wasser alles durchweicht hat, findet man ihn in dem Matsch kaum wieder. Steh möglichst gerade, Schultern zurück, Arme möglichst wenig angehoben, und bewege Dich nicht. Sobald die Brust eingegipst wird, solltest Du nicht zu flach atmen: Zwischen Dekolleté und Gips wirst du ein bißchen Luft brauchen um ordentlich atmen zu können. Die sicherst Du Dir, indem Du immer mal wieder tief durchatmest, solange der Gips noch feucht ist.

Ich kann nicht sagen, was die beste Wickelmethode ist – meine geht so: Erstmal geht man Spiralig um den Körper rum bis auf Brusthöhe (Bild 1). Dann mit in Stücke geschnittenen Binden schräg über die Schultern (Bild 2), mit dem Hauptteil überlappend. Dann wieder spiralig und dann wieder über die Schultern, und zwischenrein mit ziemlich kurzen Stücken um Arme und Hals herum (Bild 4). Auf diese Weise können sich der obere Teil (über die Schultern) und der untere (rundherum) gut miteinander verbinden. Hauptsache, es ist überall gleichmäßig und dicht, so daß nichts vom Müllsack durchschaut. Wichtig ist vor allem, daß die Binden bis dicht an Hals und Arm rangehen und bis gut auf Hüfthöhe runter, oder eine Handbreit unter der Korsettkante. Für manche Kleidungsstile (z.B. 1875-80, Stichwort Cuirasse) darf die Wickelung auch etwas weiter runtergehen, für andere (z.B. 1880-1910, Stichwort Stehkragen) möglichst weit den Hals rauf – aber, wie gesagt, da ist Vorsicht geboten.

An den Rändern müssen die Binden dick übereinanderliegen, denn da würden sie sich später besonders leicht verformen, was die ganze Aktion verderben könnte. Da die Form später entlang der vorderen und hinteren Mitte aufgeschnitten wird, sollten auch diese Kanten besonders verstärkt werden, indem dort entlang beiderseits Binden senkrecht aufgelegt werden. Entlang eines möglichst schmalen Streifens genau in der hinteren und vorderen Mitte hingegen sollten die Binden nicht allzu dick übereinanderliegen, damit das aufschneiden später leichter fällt. Das nächste Mal würde ich es so machen: Wenn der Oberkörper in drei Lagen umwickelt ist, die vordere und hintere Mitte durch senkrechte Binden rechts und links davon markieren und von da an nicht mehr spiralig um den Körper wickeln, sondern immer nur bis zur vorderen/hinteren Mitte und dort entweder abschneiden oder die Wickelrichtung umkehren. Und nach ein paar horizontalen Lagen nochmal senkrechte Binden wie zuvor. Auf die Weise ist ein ganz schmaler Streifen vorn und hinten relativ dünn, so daß man ihn leicht durchschneiden kann, aber gleich daneben ist die Schicht so dick, daß sich die Form nach dem Aufschneiden möglichst wenig verformt.

Gegen Ende, wenn die Schicht schon recht dick ist und fest geworden ist, sollte man überall einmal draufdrücken – nachdrücklich, aber nicht zu fest. Wenn es nachgibt, ist es an dieser Stelle zu dünn – wobei Stellen ohne Korsett darunter, besonders an der Schnürlücke, sowieso eher nachgeben. Hier operiert man am besten mit 20-50 cm langen Stücken von Gipsbinde. Wenn noch Binden übrig sind, laß damit die offenen Kanten (vor allem die untere und die künftigen Schnittkanten) verstärken. Die kriegen gern mal zu wenig ab, obwohl sie das meiste nötig haben. Denk auch an die Stellen unter den Armen, denn da kommt man schlecht ran, zumal Du die Arme nicht heben darfst. Die Helfer gipsen ganz unwillkürlich lieber da, wo sie gut rankommen.

Wenn Du vollständig eingewickelt bist, mußt Du eine Weile möglichst stillstehen, d.h. Kopf und Arme ruhig halten. Ein bißchen hin- und herlaufen ist gut für den Kreislauf. Bei meinem ersten Versuch mit nur 10 Binden hätte ein vollständiges Durchtrocknen vermutlich eine gute Stunde gedauert, beim zweiten Versuch mit 20 Rollen waren die Binden nach 2,5 Std. immer noch feucht, als sie aufgeschnitten wurden, aber bereits stabil. Ein Fön hilft ein bißchen.

Je besser die Binden durchgetrocknet sind, desto leichter kommt eine Gartenschere damit klar. Harte Zweige schneidet eine Gartenschere auch leichter als junge Triebe, die sie eher einzwickt. Laß die Chose also lieber eine halbe oder ganze Stunde trocknen, wenn Du das aushältst. Der Gipsmantel wird an der vorderen und hinteren Mitte entlang aufgeschnitten und dann vorsichtig vom Helfer abgenommen, ebenso vorsichtig beiseite gelegt (auf die Schnittkanten) und über nacht in Ruhe gelassen. Es erwies sich als einfacher, den Müllsack nicht mit durchzuschneiden, eben weil Garten- und Geflügelscheren harte Sachen besser schneiden, und andererseits löste sich der Gips gern vom Plastik. Die Korsettschnur kriegte trotzdem ein bißchen was ab und wurde damit unbauchbar.

Ich wurde gefragt, ob man die Gipsform auch seitlich aufschneiden könne. Ich hatte mir das auch überlegt (irgendwie scheint es sich auf den ersten Blick anzubieten), aber es erwies sich bei näherem Hinsehen als nicht sinnvoll: Die Helfer müßten sich unter die Arme ducken1, sehr vorsichtig in der schwer zugänglichen, aber sehr empfindlichen Achselhöhlengegend operieren und obendrein auch oben auf der Schulter aufschneiden. Mehr Schnitte bedeuten mehr Stellen, an denen sich die Form verziehen könnte und an denen man sie wieder zukleben muß... Also lassen wir das.

 

1) Die Arme hochzuheben, ist keine Lösung: Das würde die Schulterlinie verziehen. Überhaupt sollte man die Oberarme nach Möglichkeit unten behalten, sonst hat man am Ende eine Puppe mit Ringerschultern.

 

Du brauchst für Schritt zwei:

und evtl., je nachdem wie Du es machen willst,

Wenn der Gips richtig durchgetrocknet ist, beginnt Schritt zwei: Das Ausfüllen der Form mit PU-Schaum. Dieser Schaum wird zum Dämmen an Fernsterrahmen und Türzargen verwendet und ist im Baumarkt meist in der Tür-/Fensterabteilung zu finden. Er ist bekannt dafür, daß er Türzargen zerstören kann, wenn man damit nicht vorsichtig ist, denn er dehnt sich sakrisch aus und entwickelt dabei eine erstaunliche Kraft: Aus einer 750 ml-Flasche werden laut Hersteller 40 Liter. Außerdem ist PU-Schaum dafür gemacht, auf möglichst vielen Untergründen zu kleben, d.h. es besteht die Gefahr, daß Du ihn später nicht mehr vom Gips lösen kannst. Zwar haftet das Zeug angeblich nicht auf fettigen Untergründen, aber das hat bei mir nicht geholfen. Wahrscheinlich, weil der Gips das ganze Öl gleich aufsaugt.

Folglich solltest Du Deine Form zuerst mit Plastikfolie auskleiden. Die wirft zwar Falten, in die der Schaum hineinkriecht - deshalb hatte ich diese Idee zunächst verworfen -, aber lieber habe ich ein paar Plastikfetzen in der Schneiderpuppe kleben, als daß ich die Gipsform mühsam abreißen muß. Da Frischhaltefolie sehr gern an sich selbst klebt, lassen sich damit vielleicht Faltenbildungen vermeiden, nur sind die Stücke immer so klein.

Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder füllst Du die Hälften getrennt voneinander mit Bauschaum, schneidest dann den Überhang ab, löst den Gips ab und klebst die Bauschaum-Hälften zusammen. Oder Du klebst zuerst die Gipshälften wieder zusammen und füllst sie dann. Beide Methoden haben Vor- und Nachteile. Im ersten Fall kommt man mit der Sprühflasche gut überall hin und man muß sich keine Gedanken darum machen, wie man rechtzeitig und gerade den Stiel hineinbekommt. Aber wenn sich die Schnittkanten verzogen haben, und das tun sie leicht, passen die Hälften später evtl. nicht ganz zusammen, was aber nicht weiter schlimm ist. Im zweiten Fall muß man den Arm in die Form stecken und teilweise blind operieren und recht frühzeitig den Stiel einarbeiten, ihn irgendwie befestigen, damit der gerade bleibt, und der ist dann auch noch im Weg. Andererseits kannst Du dafür sorgen, daß die Schnittkanten genau zusammentreffen.

Klebe die Armlöcher mit Paket- oder Gewebeband zu und evtl. auch die untere und die Halsöffnung.

Methode 1

Die Hälften der Form bleiben getrennt: Auf diese Weise sprühst Du den Schaum quasi in zwei offene Schüsseln, wo er so viel Platz zum ausdehnen hat, daß er keinen Schaden anrichten kann. Sprüh zuerst beide Hälften mit Wasser ein, denn Wasser fördert die Ausdehnung und Aushärtung des Schaums. Sprühe dann den Schaum - mit dem Sprühflaschenkopf nach unten! - so in die Hälften, daß die Gipsflächen weitgehend bedeckt sind. Lücken von ein paar cm machen überhaupt nichts: Der Schaum wächst sie zu. Fülle die Schalen nicht ganz auf, sondern begnüge dich zunächst damit, die Flächen zu bedecken. Am Ende der Sprühsession halte die Flasche senkrecht mit dem Kopf nach oben, richte das Ende der Röhre auf die Form und laß die Druckluft die Röhre freiblasen, damit sie nicht bis zur Unbauchbarkeit zuklebt. Besprühe die Schaumschicht mit Wasser und warte ungefähr eine halbe Stunde. Es ist nicht etwa so, daß der Schaum gleich nach dem Aufsprühen seine volle Ausdehnung ereicht - nein, er dehnt sich in dieser halben Stunde nochmal um ungefähr das drei- bis vierfache aus. Erst, wenn sich die Oberfläche der Schaumwürste hart anfühlt, haben sie sich genug ausgedehnt.

Nach eine halben Stunde also sprühst Du die vorhandene Schaumschicht nochmal mit Wasser ein, trägst eine weitere Schicht Schaum auf, wieder mit Wasser einsprühen und eine halbe Std. warten... undsoweiter, bis die Hälften nicht nur voll sind, sondern ein wenig überquellen. Dann läßt Du die Sache mindestens über Nacht trocknen.

Nimm nun das lange Messer oder die Säge und schneide den Überhang ab. Lang müssen Messer oder Säge sein, damit das Werkzeug an beiden Kanten der Gipshälfte - der Bauch- und der Rückenkante - gleichzeitig anliegen kann. Nur so kriegst Du einen wirklich geraden Querschnitt hin. Löse die Klebestreifen von den Armlöchern, Hals und Unterkante und schneide, soweit nötig, die Armlöcher und den Hals gerade. Nun sollte es idealerweise möglich sein, die Gipsform vom Schaum zu lösen.

Als der Gips entfernt war, schnitt ich eine Rinne in eine Hälfte, die den Stiel aufnehmen sollte. Was Du dabei unbedingt beachten solltest: Je nachdem, wie man den Stiel einsetzt, wird die Puppe später entweder gerade stehen, wie sie soll, oder sich etwas nach vorn oder hinten neigen, was gar nicht gut wäre. (Für die Anpassung des Oberteils wäre es wurst, aber für die Rocklänge wäre es fatal.) Da ich das bei meinem Versuch nicht bedacht hatte, sondern mit viel Glück nur eine sehr geringe Vorwärtsneigung verursacht habe, kann ich leider kein Geheimrezept verraten, wie man die richtige Neigung hinkriegt. Vielleicht, indem man die halbe Form von einem Helfer an sich selbst ausrichten läßt...

Dann schmierte ich den Stiel mit langsam trockender Farbe ein, legte ihn in die Rinne und drückte die andere Hälfte der Puppe so darauf, daß die Kanten beider Hälften genau aufeinanderpaßten. Dadurch markierte die Farbe den Verlauf des Stiels an der anderen Hälfte, so daß ich nun wußte, wie ich dort die Rinne zu schneiden hatte. Da die Schnittkanten der beiden Hälften nicht genau ineinanderpaßten (mein Messer war zu kurz) und die Rinne eher rautenförmig war, mußte ein Kleber her, der etwas Volumen hat, um die entstehenden Lücken auszugleichen. Die beste Wahl dafür ist Silikon, wie man es normalerweise für Fugen im Bad verwendet: Es hat Volumen und klebt wie Hölle auf fast allen Untergründen. Damit klebte ich den Stiel ein und die Hälften zusammen. Danach umwickelte ich die Puppe möglichst eng mit Klebeband, um die Hälften zuammenzudrücken, während das Silikon trocknete.

Am Ende der Prozedur mußte ich noch ein wenig schnitzen, denn da ich zu wenig Gipsbinden gehabt hatte, hatten sich die Hälften an den Rändern etwas verformt, so daß sie nicht mehr genau aufeinanderpaßten. Außerdem hatte ich darunter ein 18.-Jh.-Korsett getragen, dessen Zaddeln unterhalb der Taille teilweise stark abstanden und so für Buckel im Gips sorgten. Die mußten natürlich begradigt werden.

Methode 2

Meine Erfahrungen mit der zweiten Methode kannst Du hier nachlesen. Da das ein Blog ist, wird dort der jüngste Artikel zuerst angezeigt.

 

Bettina schrieb mir folgende Anmerkung ins Gästebuch, die ich mit ihrem Einverständnis wiedergebe:

"Er [Bettinas Mann, d. Säzz.] hat aus 1 Teil Gips und 2 Teilen Spachtelmasse den notwendigen Matsch angerührt. Die Spachtelmasse härtet nicht so schnell durch und sorgt auch dafür, daß das Model nicht splittert, wenn man es vom Körper herunterschneidet.
Er hat mich dann in Mullbinden (aus der Drogerie) eingewickelt und in das Gewebe Schicht für Schicht die Gipsmasse eingearbeitet.
Das dauerte natürlich eine ganze Weile. Damit ich meine Arme bequem auf (fast) Schulterhöhe vom Körper abhalten konnte, habe ich mich auf Besenstiele gestützt. Das ist wirklich eine tolle Erleichterung. Rechnet mal mit 1 Kilo Gips und 2 Kilo Spachtelmasse. Wir hatten natürlich mehr in den Packungen, aber längst nicht alles verbraucht. Ich glaube, mein Mann hatte je 3-Kilo Packungen gekauft. 22 Mulbinden sind in die Form gegangen. Ich habe 1 Stunde zum trocknen rumgestanden.
Wir haben 2 Tage später die Formhälften mit Plastikfolie ausgekleidet (Tip: Folie mit Kleister in der Form eng anhaften gibt wenig Falten), ganz zusammengesetzt und einen Besenstiel mittig plaziert. Im Schraubstock auf richtiger Höhe gehalten. Dann die Form erst von oben sehr stark ausgespritzt und dann auch von unten. Man muß dabei aufpassen, das der Brustberich genug Schaum abbekommt, damit er sich kräftig an die Form drücken kann und dabei möglichst glatt wird. Von unten ebenfalls ausschäumen. (Zuviel Schaum auf einmal kann zusammenfallen. Also zwischendurch mal ca. 30 Min warten. Keine Schaumhersteller mischen.)
Voilà: Die Form ließ sich am folgenden Tag genau so gut vom Schaum lösen wie vorher von mir."

 

Nun, bis auf die eine Stunde Trockenzeit klingt das doch recht gut. Nur eines: Die Arme würde ich tiefer halten als Bettina es schreibt. Die "Selket-Haltung" ist eigentlich schon zuviel. Sonst gibt es, wie oben erwähnt, Ringerschultern.

Nun hast Du eine Schneiderpuppe, die Deiner korsettierten Figur entspricht und in die man obendrein auch noch Stecknaden hineinjagen kann, was sehr wichtig, aber durchaus nicht selbstverständlich ist: Mit den eingangs erwähnten Drahtpuppen geht das nicht und mit gekauften auch eher schlecht als recht.. Um Schnitte genau auf den Körper zu drapieren ist das aber nahezu unerläßlich.

Jetzt fehlt nur noch ein Fuß, in den man die Mittelstange einspannen kann. Ein Sonnenschirmfuß oder Weihnachtsbaumhalter vielleicht? Irgendwas wird sich schon finden. Ich habe das Glück, eine Drahtpuppe mitsamt Holzständer erstanden zu haben, in den ich mal die, mal jene Puppe einspanne.

Die Materialkosten betragen etwa 40-50 Euro für die Gipsbinden, 15-25 Euro für den PU-Schaum, 2 Euro für die Stange und ein paar Cent für den Rest. Sagen wir, 80 Euro für alles. Das ist nicht wenig, aber eine halbwegs anständige verstellbare moderne Schneiderpuppe, die dann nicht mal die richtige (korsettierte) Form hat, und in die man keine Nadeln reinjagen kann, kostet nicht unter 125 Euronen. Man kann evtl. ein wenig sparen, indem man zumindest einen Teil der teuren Gipsbinden durch ähnlich gittrigen Stoff ersetzt (z.B. Mullbinden aus der eh schon längst abgelaufenen Auto-Sanitätsbox oder in Streifen geschnittene Gardinen), den man mit Modelliergips bestreicht oder tränkt. Man muß aber damit rechnen, daß der Modelliergips weniger schnell abbindet, schwerer an einem hängt und kaum mit einer Garten- und Geflügelschere zu durchschneiden ist - oder wenn, dann neigt der Gips evtl. zum Bröckeln. Es hat schon seine Richtigkeit, daß die Apotheken-Gipsbinden teurer sind: Sie sind schlicht und ergreifend besser. Auf keinen Fall sollte man Elektroinstallationsgips nehmen, der schneller abbindet, als man gipsen kann... ich spreche aus Erfahrung.

 

 

*) Im Künstlerbedarf, z.B. Boesner, bekommt man sie billiger als in der Apotheke.
**) Wenn Du enganliegende T-Shirt- und Pullikrägen (z.B. Rollis) als einengend empfindest, solltest du möglichst wenig den Hals hochgipsen lassen. Aber ca. 2 cm den Hals hoch ist von großem Vorteil.

 

Vielen Dank an meine Gipshelfer Petra und Margot (Versuch 1), Tina und Brigitte (Versuch 2), Trixi (Fotos) sowie an Annette, deren Waschküche ich danach mangels Abdeckfolie nach besten Kräften geschrubbt habe. Dank auch an Dieter und seine PU-Schaum-Erfahrung. Wednesday, 24-Apr-2013 21:19:43 CEST